Tschernobyl, 35 Jahre danach

Der Super-GAU in Tschernobyl am 26.04.1986 : Was damals geschah

Am 26. April 1986, um 01 :23 :40 Uhr, explodierte der Reaktor-Block Nr. 4 des Wladimir-Iljitsch-Lenin-Kernkraftwerks Tschernobyl nahe der Stadt Prypjat in der damaligen Sowjetunion (heute Ukraine), unmittelbar an der Südost-Grenze zum heutigen Belarus.

Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl gilt nach wie vor als einer der größten Unfälle in der Geschichte der Atomenergie. Der sogenannte Super-GAU (« größter anzunehmender Unfall ») wurde in der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES : « International Nuclear and Radiological Event Scale ») in die höchste Kategorie (« katasrophaler Unfall ») eingestuft. In Tschernobyl wurde etwa das Hundertfache der hochgiftigen Radioaktivität der beiden Atombombenabwürfen von 1945 in Hiroshima und Nagasaki freigesetzt. Große Teile Weißrusslands sowie der damaligen UdSSR wurden dabei verstrahlt. Jedoch auch weite Teile Europas wurden durch die radioaktiven Niederschläge kontaminiert, wodurch damals viele Lebensmittel als ungenießbar eingestuft wurden, wie z.B. Waldpilze, Früchte, Salate und Gemüse, aber auch Wildtiere sowie Milch und deren Produkte.

Viele von uns können sich wohl heute noch gut daran erinnern, auch an die anfängliche Verharmlosung seitens der Politik, nicht nur in der damaligen UdSSR, sondern auch bei uns in Europa.

Kofi Annan, ehemaliger UN-Generalsekretär, sagte während eines Besuchs in Tschernobyl : « Millionen Menschen sind weiterhin direkt von den Konsequenzen dieses Unglücks betroffen. Ich bleibe tief betrübt über ihre Notlage. Es ist besonders beunruhigend, dass nur wenige Menschen die Vielzahl von Problemen, die mit dem Ereignis und seinen Nachwirkungen verbunden sind, realisieren ».

Auch Irina Wachidowa und Antje Hilliges beschrieben es treffend in ihrem Buch « Der Tag an dem die Wolke kam – Wie wir Tschernobyl überlebten » : « Mit keinem unserer Sinne können wir die Gefahr erfassen. Man wähnt sich in einem Paradies. Lebte man hier, so wäre es die Hölle ». (1*)

Der Sarkophag von Tschernobyl : das größte mobile Bauwerk der Welt

Knapp zwei Monate nach dem Super-GAU begannen etwa 600.000 sowjetische Aufräumarbeiter damit, eine massive Schutzhülle (« Sarkophag ») um den havarierten Reaktor zu bauen, um die radio-nukliden Stoffe wie Uranium, Plutonium und Corium darin « einzuschließen ».

Dieser Sarkophag sollte möglichst robust sein, so wurden 7.200 Tonnen Stahl sowie 400.000 Kubikmeter Beton verarbeitet. Aus Angst vor schweren gesundheitlichen Schäden für die Arbeiter musste der Sarkophag in größter Eile gebaut werden, weshalb die Fugen nicht versiegelt wurden. Durch eindringendes Regenwasser kam es in den Folgejahren zu erheblicher Korrosion mit einhergehender Einsturzgefahr.

 

Aus diesem Grund wurde eine neue, insgesamt etwa 32.000 Tonnen (Gesamtgewicht) schwere Hülle in Auftrag gegeben, um den maroden Sarkophag seinerseits zu überdachen, bevor dieser teilweise abgerissen und saniert werden soll. Aber nicht nur das : beim Super-GAU im Jahr 1986 sind laut Atomsicherheitsexperte Vince Novak der Europäischen Bank für Wiederaufbau 5% der radioaktiven Materie aus dem geschmolzenen Reaktorkern entwichen, « sie haben große Teile Europas nuklear verschmutzt ». Demzufolge stecken noch 95% der tödlich strahlenden Masse im Reaktor Nr. 4 von Tschenobyl. Das sind geschätzte 193 Tonnen Uran, Strontium, Cäsium und Plutonium, bei deren Zerfall zum Teil noch gefährlichere Isotope frei werden, deren Halbwertzeiten zwischen 14 und 6500 Jahren schwanken, eine auch zeitlich unendliche Gefahr. Somit ist klar, die neue Schutzhülle soll hauptsächlich dazu dienen, das Zurückbauen und Entsorgen der Unmassen an hochgiftigem Atommüll unter einem Schutz zu ermöglichen, ein extrem schwieriges und gefährliches Unterfangen, das schätzungsweise im Jahr 2065 beendet sein könnte.

 

Diese neue Hülle, kurz NSC (« New Safe Confinement ») getauft, wurde als Stahlkonstruktion in Italien gefertigt, mit 18 Schiffen und 2.500 Lkws zur Baustelle gebracht und am 29. November 2016 eingeweiht.

 

Man spricht heute vom größten mobilen Bauwerk der Welt, das ohne die Fundamente 24.860 Tonnen schwer ist, 162m lang, 108m hoch, mit einer Spannweite von 257m. Seine Gesamtfläche von 86.000 Quadratmetern entspricht etwa 12 Fußballplätzen. Die Gesamtkosten dieser Konstruktion beliefen sich auf geschätzte zwei Milliarden Euro, welche von der Europäischen Union sowie von 25 weiteren Ländern getragen wurden. Hinzu kommen dazu jährlich etwa acht Millionen Euro für die Betriebskosten der neuen Schutzhülle, welche auf eine Lebenszeit von etwa 100 Jahren ausgelegt worden ist.

 

Die Gegend um das im Jahr 2000 stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl ist bis heute immer noch ein Sperrgebiet, da die immer noch strahlenden radioaktiven Substanzen Krebs und Missbildungen bei Menschen und Tieren auslösen können.

 

Umso erstaunlicher und nahezu abartig zynisch, daß es inzwischen einen regelrechten « Tschernobyl-Tourismus » gibt, welcher sensationslustige Menschen mit Strahlenmessgeräten in dieses Sperrgebiet führt, um dort Erinnerungsfotos zu schießen. Dies von Orten, welche vor 35 Jahren von deren Bewohnern fluchtartig verlassen wurden, auf Grund einer bis heute immer noch anhaltenden Unbewohnbarkeit.

Die gesundheitlichen Folgen von Tschernobyl

Neben akuten Strahlenschäden nach dem Super-GAU spricht man heute vermehrt über sogenannte Spätschäden, d.h. gesundheitliche Folgeschäden von Tschernobyl, hauptsächlich bei chronischer oder wiederholter Strahlen-Exposition von Menschen.

Insbesondere Schilddrüsenkrebs, Leukämien, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Tumore und Krebserkrankungen an Luft- und Speiseröhre sowie am Verdauungsapparat sind die häufigsten Folgen.

Eine erhöhte Rate an Totgeburten wurde z.B. in Weißrussland vermehrt festgestellt, des Weiteren Fehlbildungen der Gliedmaße und Organe, Chromosomen- und Genanomalien, Immunschwäche sowie Krebs im Kindesalter.

Die Rate der Neuerkrankungen bei Kindern in den betroffenen Gebieten Weißrusslands (z.B. Gomel, zum Teil auch Slavgorod) stieg seit dem Atomunfall von Tschernobyl sprunghaft an. Vor der Katastrophe lag die Zahl der Erstdiagnosen bei 9.771 Kindern (1985), 1990 bereits bei 73.754 Fällen, 1993 bei 108.567 und 1995 bei 127.768 Erkrankungen. Seither stagniert die Anzahl der Erstdiagnosen, sie sind also kaum rückläufig, bleiben demnach immer noch erschreckend hoch.

Auch psychische Störungen können auf Schädigungen der Nervenzellen durch radioaktive Strahlung zurückgeführt werden. Diese Ansicht vertraten bereits 1992 imminente Vertreter vom Pallaguim Institut für Biochemie in Kiew.

Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern vertreten die These, dass die Wirkung der Tschernobyl-Katastrophe auf die geistige Gesundheit der Bevölkerung das größte Problem darstellt.

Experten der WHO (« World Health Organization ») und IAEA (« International Atomic Energy Agency ») sind der Meinung, dass Strahlenbelastungen auf das sich entwickelnde Gehirn kleiner Kinder, organische Gehirnschäden hervorrufen können. Sie weisen darüber hinaus auf die höhere Rate von Schizophrenie-Kranken hin, was auf ein erhöhtes Risiko rückschließen lässt, an neuro-psychiatrischen Störungen durch Strahlenbelastung zu erkranken.

Auch frühzeitige Alterung kann strahlungsspezifische Ursachen haben, insbesondere Augenkrankheiten wie Strahlen-Katarakte (Augenlinsentrübung wie Grauer Star) und Retinopathien (Netzhauterkrankungen).

Dass eine Verharmlosung der Tschernobyl-Folgen eine gewisse Legitimität hat, mag man teilweise akzeptieren, jedoch auf keinen Fall billigen.

Nicht leugnen kann man sicherlich die These der Kollektivdosis, d.h. die Gesamtstrahlenbelastung einer vorher definierten Bevölkerungsgruppe, als Maß für die Strahlenschäden einer Population.

Multipliziert man nämlich die Kollektivdosis mit dem Risikofaktor, d.h. die Strahlenbelastung, so ergeben sich daraus die zu erwartenden Krebs-und Leukämietote. Wenn z.B. 100 Menschen einer Äquivalentdosis an Strahlenbelastung ausgesetzt sind, dann ist in fünf Fällen mit strahlungsinduziertem Krebs zu rechnen, wobei vier dieser Krebsfälle im Prinzip einen tödlichen Verlauf nehmen werden. Ist die Äquivalentdosis etwa doppelt so hoch, so erhöht sich das Krebsrisiko auch in gleichem Maße. Es handelt sich hier um eine chronische Exposition über eine längere Zeit (z.B. 3 ½ Jahrzehnte wie im Fall Tschernobyl), so wie eben genau in den betroffenen Gebieten von Weißrussland festgestellt.

Bisher wurde ungenügend wahrgenommen, dass die Kollektivdosis für Europa (53%) – und die damit zu erwartende Anzahl an Opfern in Europa – sogar höher eingeschätzt werden muss, als die entsprechenden Sätze für die Tschernobylregion (36%). Womit die hohe Anzahl an Krebserkrankungen in Europa durchaus zum Teil ursächlich erklärt werden kann, sogar muss.

In diesem Zusammenhang kann man die vielsagende Aussage zitieren, welche in dem von Berthold Brecht im Jahr 1939 verfassten Theaterstück « Leben des Galilei » nachzulesen ist : « Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher ». (2*)

Diese Aussage, nahezu 50 Jahre vor Tschernobyl, war natürlich auf ein anderes Thema fokussiert, dennoch kann man sie auch auf die Tschernobyl-Problematik extrapolieren. Nur einen Wiederruf hat es bis heute nicht gegeben, es wird auch sicherlich keiner folgen.

Was unterscheidet Fukushima von Tschernobyl ?

Rund 8.000 Kilometer und 25 Jahre trennen die Nuklearkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima räumlich und zeitlich voneinander.

Am 11. März 2011 kam es im japanischen Fukushima zu einer folgenschweren Nuklearkatastrophe, in Folge eines schweren Erdbebens 130 Kilometer vor der Nordostküste Japans. Nach dem zweiminütigen Beben der Stärke 9,0 auf der Richterskala, kam es zu einem 14 Meter hohen Tsunami, welcher die sechs Reaktorblöcke am Meer überschwemmte und ganze Landstriche vollständig verwüstete.

Die Überschwemmung beschädigte das Stromnetz und verhinderte den Betrieb der Kühlsysteme. Innerhalb weniger Tage explodierten drei Reaktorblöcke, es kam zu Kernschmelzen und Bränden, Radioaktivität trat aus und Menschen wurden verstrahlt.

In Fukushima wurden zwar nur etwa 10-20% der Menge radioaktiver Emissionen von Tschernobyl freigesetzt, dennoch wurde der Atomunfall von Fukushima laut IAEO ebenfalls auf den höchstmöglichen Grad 7 eingestuft.

In Tschernobyl wurden hauptsächlich Luft, Böden und Nahrungsmittel kontaminiert, in Fukushima daneben hauptsächlich auch noch Wasser.

Heute – zehn Jahre nach Fukushima – wird klar, dass man erst am Anfang steht, Unmengen an verseuchtem Kühlwasser, teilweise in Tanks gelagert, teilweise im Boden, sollen nach und nach ins Meer abgeleitet werden. Daneben wird die Verdampfung des hochgiftigen Wassers noch als belastender und unermesslicher für die Umwelt eingestuft.

Beide Nuklearkatastrophen zu vergleichen scheint anmaßend, da sie nicht unbedingt vergleichbar sind. Möchte man beide Katastrophen dennoch vergleichen, stellt sich leider  heraus, dass Tschernobyl wohl der schlimmste Nuklearunfall der Welt ist und bleibt, da sich einerseits eine weitaus stärkere radioaktive Strahlung in ganz Europa ausbreitete und immer noch unter der Reaktorruine begraben liegt, andererseits ein Großteil der weniger starken Strahlung von Fukushima in den Pazifischen Ozean gelangte. Die Folgeschäden dieser Verseuchung des Meerwassers sind sicherlich weitaus schwieriger zu ermessen, liegen aber auch auf der Hand.

Eine traurige Parallele existiert dennoch zwischen Fukushima und Tschernobyl, die Verseuchung und/oder die Verstrahlung, wenn auch verschiedene Auswirkungen zu befürchten sind.

In Fukushima sind die Atomruinen seit dem Nuklearunfall außer Betrieb, dennoch fallen täglich 170 Tonnen verseuchtes Kühlwasser an, weil die Kernreaktion weiterläuft und deswegen die zerstörten Reaktoren weiter gekühlt werden müssen. Darüber hinaus dringt Regen- und Grundwasser in die Anlagen ein. Bis März 2021 sind bereits 1,2 Millionen Kubikmeter radioaktiv belastetes Kühlwasser aufgelaufen, welche gelagert werden müssen. Nach jetzigem Stand werden allerdings die Lagerkapazitäten auf dem Gelände voraussichtlich im Jahr 2022 erschöpft sein. Was danach geschehen wird, das weiß noch niemand mit letzter Konsequenz, oder etwa doch ?

In Tschernobyl wurden zwar bereits zwei Sarkophage über die Reaktorruine gebaut, allerdings liegen darunter bis heute immer noch mindestens 180 Tonnen strahlende Kernbrennstoffe, eine Unmenge an hochgiftigem Atommüll. Vom Volumen her sind das zirka 600.000 Kubikmeter, was in etwa das Doppelte von dem darstellt, was die gesamte deutsche Atom-Wirtschaft in rund 60 Jahren produziert hat.

Aus diesem Grund wurde letztendlich auch der neue, sündhaft teuere Sarkophag gebaut. Wohin dann allerdings dieser gesamte Atommüll entsorgt werden soll, das ist die Frage. Ein spezielles Lager müsste dafür noch gebaut werden. Aber wer soll das alles bezahlen ?

Dringend neue Lösungen gesucht – auch in Anbetracht des Klimawandels

Die Atomkatastrophen von Tschernobyl am 26.04.1986 und von Fukushima am 11.03.2011 haben uns auf drastische Art und Weise die Ohnmacht des Menschen vor nuklearen Unfällen vor Augen geführt. Genau wie es vor 35 Jahren in Tschernobyl war, so hat es sich vor zehn Jahren in Fukushima wiederholt, auch wenn es verschiedene Ursachen gab.

Letztendlich waren es zwei ungewollte Unfälle, welche ursächlich verantwortlich für die nahezu unlösbaren Probleme von heute sind. War es in Tschernobyl eher menschliches Versagen, so zeigte uns Fukushima, dass auch die Natur den atomaren Installationen (und nicht nur diesen) ihre Grenzen aufzeigen kann und somit den Menschen vor tiefgreifenden und extrem kostspieligen Umweltkatastrophen nicht verschont. Es bleibt am Ende den Menschen überlassen, bessere Entscheidungen zu treffen, welche ohne unberechenbare Risiken eine natürliche Nachhaltigkeit gewährleisten können.

Bis dahin müssen wir mit den Konsequenzen der zuvor begangenen Sünden leben und einen extrem hohen Preis für fahrlässig gebilligte Risiken bezahlen.

Dennoch dürfen die unschuldigen Opfer – deren Politik dem erhöhten Bedarf an Behandlungsstellen und entsprechender medizinischer Infrastrukturen zudem keine Folge leistet – nicht vergessen und alleine ihrem Schicksal überlassen werden. Hier werden unsere Anteilnahme und Ressourcen zur Bewältigung der Konsequenzen und Behandlung der Folgeschäden auch 35 Jahre nach dem Unglück immer noch zwingend benötigt.

« Die Angst vor der Zukunft zu überwinden, ist einer der schwersten Schritte zur Bewältigung dieser Katastrophe » schrieben Antje Hilliges und Irina Wachidowa in ihrem Buch : « Der Tag, an dem die Wolke kam – Wie wir Tschernobyl überlebten ». Ein vielsagendes Statement.

Auch der nicht mehr zu leugnende Klimawandel schreit buchstäblich nach einer radikalen Energiewende. Jedoch ist diese nicht im Handumdrehen herbeizuführen, sodass der stetig wachsende Stromverbrauch des Menschen vorerst immer noch (auch) auf Atomstrom angewiesen zu sein scheint.

Prominente Befürworter dieser Idee, wie Joe Biden, Bill Gates oder Boris Johnson scheinen in ihren Überlegungen über eine Serienanfertigung neuartiger, kleinerer Reaktoren schon weit vorangeschritten zu sein und man spricht gar von einer « Renaissance der Kernkraft ». Die Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von « Small Modular Reactors » (SMR) und derzeit gibt es bereits rund 70 Projekte zur Entwicklung solcher Atommeiler. Man verspricht sich von diesen « SMR » einen wichtigen Beitrag zur klimaschonenden Energieversorgung. Sogar Nuklearexperte Stefano Monti von der IAEA (Internationale Atomenergieorganisation der Vereinten Nationen) glaubt, dass « es auf der ganzen Welt ein wachsendes Interesse an der SMR-Technik gibt ». (3*)

Schließt sich hier der Kreis ? Falls ja, dann jedenfalls auf eine schizophrene Art und Weise. Atomkraft als verursachender Missetäter und gleichzeitig als neuer Retter ? Die Zukunft wird es zeigen, bei aller Vorsicht und legitimer Skepsis zum jetzigen Zeitpunkt.

Hoffnung fir d’Kanner vun d’Tschernobyl a.s.b.l. – Wir helfen !

Bereits seit Anfang der 1990er Jahre begann man in Luxemburg, den Opfern der Tschernobyl-Katastrophe Hilfe zu leisten. Obwohl der Reaktorunfall damals schon etwa vier Jahre zurücklag, war es zu einem früheren Zeitpunkt leider nicht möglich gewesen, da die damaligen Einreisemodalitäten in die frühere UdSSR extrem kompliziert waren. Erst nach dem Mauerfall und der damit folgenden Öffnung der Grenzen nach Osten hin konnten erste Kontakte geknüpft werden. Nachdem die Unabhängigkeit Weißrusslands am 25.08.1991 proklamiert werden konnte und die Republik Belarus daraus geboren war, konnten sich bald darauf erste konkrete Hilfeleistungen in den betroffenen Gebieten um Slavgorod (BY) ergeben, welche bis heute immer noch andauern und sich dazu bis nach Moghilov (BY) ausdehnen konnten.

Die Vereinigung « Hoffnung fir d’Kanner vun d’Tschernobyl a.s.b.l. » arbeitet auch heute noch regelmäßig in den betroffenen Gebieten und leistet jährliche Hilfe in Krankenhäusern und Schulen, wobei die Anwendungen sich pro Jahr und im Mittel zwischen 15.000 und 20.000 € belaufen.

Die Vereinigung lebt ausschließlich von Spendengeldern, welche aus privater Hand kommen, ferner auch von Vereinen und anderen öffentlichen Trägern. Da alle Mitglieder und Helfer unentgeltlich arbeiten, können die Spendengelder nahezu bis zu 100% an die Bedürftigen weitergeleitet werden.

Das regionale Krankenhaus mit Kinderstation in Slavgorod wird regelmäßig von « Hoffnung fir d’Kanner vun d’Tschernobyl » unterstützt, sei es durch den Kauf von fehlenden medizinischen oder paramedizinischen Geräten, oder von notwendigem Neumaterial, bis hin zum Kauf von spezifischen Medikamenten, welche über die dortigen staatlichen Bezuschussungen hinausgehen. In diesem Krankenhaus, welches eigentlich eine Poliklinik ist, können alle möglichen Krankheiten behandelt werden, inklusive solcher, welche auf die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl zurückgeführt werden können.

 

Daneben wird auch das Rehazentrum für Kinder und Jugendliche bei Bedarf unterstützt. In diesem Zentrum wird jungen Menschen, welche mit körperlichen Fehlbildungen geboren wurden, medizinisch geholfen, um ihnen ein menschenwürdigeres Leben zu ermöglichen.

Auch in verschiedenen Schulen in und um Slavgorod wird regelmäßig geholfen und in fehlendes oder mangelhaftes pädagogisches Material, oder in schlechte bauliche Infrastrukturen investiert, um somit den Schulaufenthalt gesünder und vielfaltiger zu gestalten.

Daneben werden auch immer noch jährlich einige Kinder aus Weißrussland in den Sommermonaten in Luxemburg empfangen, um in Gastfamilien einen Urlaub verbringen zu können. Die Kinder können so, begünstigt durch ihren einmonatigen Aufenthalt in Luxemburg, ihr Immunsystem stärken und es hat sich herausgestellt, dass durch regelmäßige Aufenthalte außerhalb der verstrahlten Gebiete der Gesundheitszustand der Kinder verbessert werden kann.

Die früheren Hilfsgütertransporte nach Weißrussland wurden 2014 eingestellt, da die hierfür anfallenden Kosten leider nicht mehr tragbar waren. Die so eingesparten Spendengelder werden nun direkt an Ort und Stelle in den Krankenhäusern und Schulen zum Allgemeinwohl angewandt.

Wir möchten weiterhin unsere Hand reichen und helfen, dazu können herzlich willkommene Spendengelder auf folgendes Konto der Vereinigung « Hoffnung fir d’Kanner vun d’Tschernobyl a.s.b.l. » überwiesen werden : CCPL LU34 1111 2051 7520 0000. Vielen Dank !

 

Georges May – 26.04.2021

 

Quellen :

  • Antje Hilliges und Irina Wachidowa : Der Tag an dem die Wolke kam – Wie wir Tschernobyl überlebten
  • Berthold Brecht : Leben des Galilei
  • Marcus Theurer FAZ Net 05.02.2021 : Mini-Atomkraftwerke für den Klimaschutz